ELEKTROMOBILITÄTMit dem Miniroller auf Du und Du

Die Kernfrage bei der Vernetzung von Verkehrsmitteln heißt: Womit fährt man die "letzte Meile"? Die Antwort zweier Kieler Maschinenbauer: ein faltbarer Elektroroller. von Peter Münder

 
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Elektroroller Scuddy  |  © Fabian Wentzel/Scuddy

Man kann ihn im Stehen oder im Sitzen fahren, mit einer Akkuladung kommt man bis zu 35 Kilometer weit, der Akku ist in einer Stunde wieder vollgeladen und als handliches Pack herausnehmbar. Und noch besser: Der 27,5 Kilogramm leichte Roller lässt sich schnell für den Transport per Bahn oder im Kofferraum auf die Größe einer Getränkekiste zusammenfalten. Der Scuddy – eine Wortkombination aus Scooter und Buddy – beeindruckt vor allem durch seine Pfiffigkeit und die Praktikabilität.

So englisch der Name klingt, so deutsch ist das Produkt. Das Dreirad kommt aus Kiel, aus einer kleinen Manufaktur, die der Scuddy-Erfinder und Konstrukteur Tim Ascheberg mit seinem ehemaligen Studienfreund Jörn Jacobi betreibt. Die beiden wollten nach ihrem Maschinenbau- und BWL-Studium neue Mobilitätskonzepte entwickeln, schließlich beschäftigte sich ihre Masterarbeit über "Chancen für Unternehmungsgründungen im Markt der Elektro-Mobilität".

Im Blick hatten Ascheberg und Jacobi vor allem die bekannte "letzte Meile": nicht vom Lieferanten zum Verbraucher, sondern vom Bahnhof oder der Bushaltestelle zur Arbeit, zum Ausflugsziel, zum Shoppen in die City. So entstand 2012 der Scuddy. Die beiden Tüftler konstruierten für den Roller alle Komponenten selbst, diese werden auch alle in Deutschland gefertigt. In der Manufaktur stehen sechs neue Scuddys, die Regale an den Wänden sind prall gefüllt mit Elektroteilen, Gewinden, Rädern und Schrauben. An der Werkbank steht der meist mit einem Hut ausstaffierte Tim Ascheberg.

Billig ist der Scuddy nicht. "Made in Germany" habe eben seinen Preis, sagt Ascheberg. Aber: "Unser Roller kostet 4.500 Euro statt der 8.000 Euro für einen Segway." Natürlich kommt das Gespräch auf den großen Konkurrenten – der aber offenbar gar keiner ist. "Der Scuddy ist nur halb so schwer; den Segway kann man nicht zusammenfalten wie den Scuddy", erklärt der quirlige Erfinder. "Außerdem muss man auf dem Segway immer stehen. Eigentlich sind die beiden E-Roller gar nicht vergleichbar."

Man kann die 4.500 Euro für den Scuddy für überzogen halten. Dafür bekommt man auch zwei gute Elektrofahrräder. Auf der Liste für Zubehör und Extras stehen ebenfalls happige Preise: Für Sonderfarben des Akkus (schwarz statt grün) sind 50 Euro fällig, das Schnellladegerät kostet 200 Euro, der KlickFix-Korb 60 Euro. Doch die Nachfrage gibt den Erfindern recht. Inzwischen haben neben privaten Käufern auch Touristikfirmen im Ausland Interesse am Kieler E-Roller, den sie vermieten oder für geführte Touren einsetzen wollen.

"Natürlich kann man sich auch einen günstigen, in Asien gebauten Roller mit Bleiakku für 1.000 Euro kaufen", meint Ascheberg, "aber so ein Teil hält meistens auch nur ein Jahr. Wir haben Roller am Laufen, die jetzt schon 20.000 Kilometer reibungslos mit einem Akku gelaufen sind und immer noch über 96 Prozent der Nennkapazität haben."

Wir haben eine Probefahrt vereinbart, Ascheberg weist mich in die Handhabung des Dreirad-Rollers ein. Der Gashebel ist als Drehgriff wie beim Motorrad gebaut, die beiden Bremshebel wirken auf die beiden vorderen Scheibenbremsen und auf die hintere Trommelbremse. Ich könnte mich auf die um das Hinterrad gebauten beiden Trittbretter stellen, entscheide mich aber fürs Sitzen, weil ich eine etwas längere Tour eingeplant habe und bei vier Grad plus keine Lust auf den eisigen Fahrtwind habe – der Sattel ist serienmäßig, lässt sich fürs Stehen aber leicht ausbauen.

Mit leichtem Dreh am Gashebel beschleunigt der Roller ziemlich rasant, dabei schnurrt er nur sanft. Für sanftes Bremsen reicht schon das Loslassen des Gasgriffs. Scharfe Kurven sind für das wendige Dreirad überhaupt kein Problem, es reagiert auch optimal auf Gewichtsverlagerungen. Das Fahren über Kopfsteinpflaster macht sich natürlich mit Rütteln und Vibrationen bemerkbar, doch am E-Roller klappert nichts. Steigungen bis zu 20 Prozent sind auch kein Problem. Die LED-Lampe schaltet sich beim Start automatisch ein, es gibt auch ein LED-Schluss- und Bremslicht.

Den Scuddy gibt es in zwei Versionen: als bis zu 35 km/h schnelle Sport-Version (4.500 Euro), für die Helmpflicht besteht und wie beim Moped ein Nummernschild erforderlich ist, und für 500 Euro weniger als gedrosselte City-Version, die maximal 20 km/h erreicht und ohne Helm gefahren werden darf. Mit dem pfiffigen Roller kann man leise, unangestrengt durch den Verkehr schnurren, man stellt keineswegs ein Verkehrshindernis dar – wenn da nicht der hohe Preis wäre.

Stromern mit Tretroller und Skateboard

Im Segment der minimalistischen elektrischen Fahrhelfer tut sich einiges. Inzwischen gibt es mehrere E-Miniroller, die in derselben Nische unterwegs sind wie der Scuddy. Jens Thieme aus Dresden etwa will in diesem Jahr seinen Scrooser auf den Markt bringen. Das auffällige Design des kleinen Elektro-Tretrollers – mit fetten Reifen und einer schräggestellten Vorderradgabel wie bei einer Harley – stammt von Thieme, 500 Exemplare des bis zu 28 km/h schnellen Rollers will er 2015 verkaufen. Mit 4.000 Euro pro Stück ist der Scrooser nur unwesentlich günstiger als der Scuddy aus Kiel.

Ebenfalls explizit für die "letzte Meile" konzipiert wurde in den USA das Urb-E, ein faltbares Minirad aus gelochten Aluträgern, die nach Stabilbaukasten aussehen. Das Urb-E hat einen Sitz und einen darunter integrierten Gepäckträger. Der Hersteller gibt die Reichweite mit 32 Kilometern an, das Höchsttempo liegt bei 24 km/h. Das Urb-E kostet mindestens 1.400 Euro.

Auch elektrisch angetriebene Skateboards wie das amerikanische E-Go werden immer beliebter. Man steuert das 6,3 Kilogramm leichte Board über eine Fernbedienung oder eine Smartphone-App. Der 400-Watt-Motor bringt das E-Go auf bis zu 20 km/h, der Akku hat eine Reichweite von maximal 20 Kilometern. Preis: rund 600 Euro. Sicher, ein Konkurrent für den Scuddy oder andere E-Roller ist das E-Go nicht. Aber die Idee, sich lässig stehend auf einem elektrischen Skateboard befördern zu lassen, kommt dem Konzept einer geräuscharmen, umweltfreundlichen und bezahlbaren Mobilität doch verdammt nah.

Für den Kieler Scuddy-Erfinder sind das jedoch nur putzige Spielzeuge, die er nicht ernst nehmen kann: "Die Dinger werden immer beliebter, und lustig sind sie ja", räumt Tim Ascheberg ein. Aber: "Man darf nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Technisch ist so ein Skateboard doch ein Witz im Vergleich zum Scuddy."